Gegen weibliche genitale Beschneidung
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Bei einem Vortrag des Vereins „NALA“, der sich gegen weibliche genitale Beschneidung (international: FGM Female Genital Mutilation) und für Bildung in Burkino Faso einsetzt, trat am 6. Februar im Kulturzentrum Luise in München als Hauptredner Altbürgermeister Christian Ude auf.
„NALA“ ist übrigens ein ebenso kleiner und engagierter Verein wie „Perspektiven für Burkina Faso“. Das Wort „NALA“ steht in der Sprache der Kisuaheli für „die Löwin“. Gleichzeitig beinhaltet „NALA“ das Motto des Vereins: nachhaltig, aktiv, lebensnah, aufklärend.
Die Rede Christian Udes beleuchtete die weibliche Beschneidung im Wesentlichen unter drei politischen Aspekten: Religion, Feminismus und Postkolonialismus. Bevor er jedoch auf diese Stichpunkte einging, äußerte sich der Altbürgermeister noch zum Ausdruck „weibliche genitale Beschneidung“ und machte klar, dass diese weitgehend verwendete Beschreibung für ihn nach einer Verharmlosung klingt: „Eigentlich müsste es heißen: weibliche genitale Verstümmelung“.
FGM ohne religiösen Kontext
Dass sich die Tradition dieser weiblichen genitalen Verstümmelung auf irgendeine Weise aus der christlichen oder muslimischen Religion ableiten ließ, verwies Ude ins Reich der Märchen: „Weder in der Bibel noch im Koran gibt es eine Stelle, die dazu auffordert.“ Tatsächlich sei FGM in erster Linie eine Männerangelegenheit. In deren Fantasie ist eine Frau erst dann „rein“, wenn der sichtbare Teil der Klitoris, die in ihrer Form einem Penis ähnelt, abgeschnitten ist.
Dennoch sei es nicht möglich, diese grausame Tradition ausschließlich durch die feministische Brille zu betrachten, zumal es Frauen sind, die diese krude Männerfantasie ihren Töchtern vermitteln und ihnen versichern, dass dieser Eingriff notwendig und normal sei.
Das Argument, dass wir Westler als ehemalige Kolonialmächte nicht berechtigt seien, den Afrikanern irgendwelche Empfehlungen zu geben, konterte Ude mit dem Hinweis einer afrikanischen Projektleiterin von NALA. Diese hatte ihm gegenüber einen deutlichen Standpunkt bezogen und sinngemäß gesagt, dass sich ein Volk, das sich überwiegend aus Analphabeten zusammensetzt, nicht selbst aufklären kann und somit auf Hilfe von außen angewiesen ist.
Karlheinz Böhm provoziert afrikanische Männer
In seiner Rede kam Ude auch auf eine Episode zu sprechen, die er mit Karlheinz Böhm in Äthiopien erlebt hatte. Dieser hatte in einer Rede, die er in einem Dorf vor etwa 400 Menschen hielt, den Männern vorgeworfen, dass sie die dümmsten Männer auf der ganzen Welt seien. Die Befürchtung, dass die derart provozierten Männer wütend und gewalttätig wurden, trat deshalb nicht ein, weil Karlheinz Böhm eine äußerst elegante Begründung nachlegte. Nachdem er den äthiopischen Männern bescheinigte, dass sie nicht nur dumm, sondern auch bettelarm seien, fügte er hinzu, dass sie aber sehr schöne Frauen hätten. Und dann wollte der Schauspieler von den Männern wissen, warum sie diese Schönheiten zerstörten und in der Folge möglicherweise keinen Sex mit ihnen haben konnten.
Große Freundlichkeit trotz Armut
Nach Udes Rede gab es noch eine kleine Podiumsdiskussion. Neben dem Altoberbürgermeister war das Ehepaar Korn mit auf der Bühne. Walter Korn hatte in seiner Funktion als freiberuflicher Fotograf Burkina Faso besucht und von dieser Reise virtuose Bilder mitgebracht, die währen der Veranstaltung auf eine Leinwand projiziert wurden. Dabei unterstrichen insbesondere die Porträts die Kernthese des Fotografen, der fast ein wenig erstaunt davon berichtete, dass die Menschen in Burkina Faso trotz ihrer bitteren Armut unglaublich freundlich seien. Tatsächlich hatte man bei etlichen Porträts den Eindruck, als könne man den Menschen bis tief in ihre freundlich-schöne Seele schauen. Das Foto einer älteren Frau könnte als Musterbeispiel für die Darstellung von Altersmilde stehen: Auch wenn ihr zerfurchtes Gesicht vermutlich nicht nur von der Sonne, sondern auch von Sorgen gegerbt war, lächelte sie überaus herzlich, beinahe anmutig in die Kamera.
Betroffene Frau erzählt
Die Ehefrau des Fotografen, Fadumo Korn, stammt aus Somalia und hat als siebenjähriges Mädchen am eigenen Leib erfahren, was es heißt, im Genitalbereich verstümmelt zu werden. Sie wies darauf hin, dass die Verstümmelung in der Regel von Frauen durchgeführt werden, die diese Tätigkeit als Beruf ausüben. Frau Korn erklärte nüchtern, dass die Mädchen diese Prozedur ohne Narkose erleiden müssen. Erschreckend ist auch die Tatsache, dass die Beschneidung der Klitoris unter unhygienischen Bedingungen und mit alltäglichen Werkzeugen wie beispielsweise Glasscherben erfolgt.
Auf die Frage, wie sie selbst mit ihrer Beschneidung umgehe, antwortete die Somalierin, dass sie als fast 60-jährige Frau ihr Trauma zwar einerseits weitgehend bewältigt habe, andererseits aber „bei jedem Gang zur Toilette“ an dieses verstörende Ereignis erinnert werde.
Dass der Kampf gegen FGM noch ganz am Anfang steht, wurde deutlich, als Christian Ude eine Zahl nannte: So ist der Rückgang der Verstümmelungen in der Hauptstadt Ougagadougou lediglich um 20 Prozent von 85 auf 65 Prozent gefallen. Zwei Drittel aller Mädchen werden also auch noch heute dieser barbarischen Tortur unterzogen.
Claus Ritzi